10.10.2013

"Spiegel-TV"-Doku zu Kriegsheimkehrern



 

Vor zwei Wochen ist die dritte Staffel der - im wahrsten Sinne - ausgezeichneten Fernsehserie Homeland in den USA gestartet. Darin wird der Kriegsheimkehrer und -held Brody (Damien Lewis) als Terrorist gejagt, derweil die in ihn verliebte (und ihn zunächst verdächtigende) CIA-Agentin Carrie zwischen allen Stühlen sitzt. Die von Claire Danes eindrucksvoll gespielte Geheimagentin bekämpft ihre psyschische Krankheit mit Jazz, Alkohol, schnellem Sex und - so sie es nicht absetzt - Lithium.

Auch der in der Spiegel-TV-Doku an den Folgen seine Irakkriegseinsatzes leidende Soldat greift zu dem Mittel, zusammen mit Antidepressiva etc. Sein Lebensstandard ist weniger gehoben als der von Carrie - und eigentlich verkörpert er eher die Seite des Jahre lang in Kriegsgefangenschaft gehaltenen und "umgedrehten" (und dabei doppelt benutzten) Brody. Bei Carrie ist die psychische Störung vererbt, bei den Kriegern Berufsschaden.
 
Es mag reines Kalkül sein, dass Spiegel TV seine dreiviertelstündige Reportage HOMELAND: ENDSTATION HEIMAT nennt. Doch insbesondere wenn man die iraelische Vorläufer- oder Schwesterserie von Homeland, Hatufim dazunimmt, erscheint die Dokumentation eine passende Ergänzung zu den Fernsehfiktionen.

Von jungen Männern handelt die Doku über die "Armee der zerstörten Seelen", Soldaten, die schreckliches Erlebt haben und darüber daheim nicht oder kaum mehr, als an Posttraumatischer Belastungsstörung Leidende, in den Alltag, das Zivilleben, eine "Normalität" zurückfinden. Unterschiedliche Fälle präsentiert der Film von Karin Assmann (Autorin), vor allem, wenn es um die Be- und Verabeitung geht.

Natürlich: man könnte noch ein bisschen kritischer sein, fragen, was diese Männer antreibt, in einen Krieg zu ziehen, von dem sie nichts verstehen, dabei auch weniger selbstverständlich ein böses System implizieren (was sehr dezent geschieht), dass seine "Söhne" quasi verheizt und überhaupt den Krieg etwas zu einfach als unmenschliche und mehr noch: verunmenschlichende, naturgewaltige Erscheinung beiseite lassen.

Gerade im "Krieg gegen den Terrorismus" braucht es aber eben auch diese Perspektive, eine, die nur auf die Opfer auf - je nach Perspektive - Täterseite (der Invasoren) schaut. Wenn etwas beispielsweise Alex Gibney oscar-prämierte Dokumentation über die Torturen von Abu Ghraib und Guantanamo Bay, TAXI TO THE DARK SIDE (2007) auszeichnet, dann der ungewohnt offene, neutrale Gestus, mit dem er die Militär-Knechte aus der untersten und damit vordersten Reihe zu Wort kommen lässt, sie nicht schont und nicht verdammt.

Zusammen mit den Kriegstraumafilmen der letzten Jahre, mit JARHEAD, IN THE VALLEY OF ELAH, THE MESSENGER oder, prominent, THE HURTLOCKER, kommt einem eingedenk der Figur des gescheiterten, im Stich gelassenen und daheim schwerlich (s)einen Platz findenden jungen Veteranen die Figur des Rambo in den Sinn - der Roman von David Morrell oder bekannter noch die Filmvariante, verkörpert von Sylvester Stallone. Wurde er später zum Innbegriff, sein Name gar Synonym für den martialischen Rüpel, ist der erste Film von 1982 (Originaltitel: FIRST BLOOD), inszeniert von Ted Kotcheff noch tragisch-kritisch, auch ernsthaft; später Ausläufer des New Hollywoods.

Erwartet uns, fehlt uns gar ein - gleichmaßen symbolträchtiges - Äquivalent zu den Afghanistan- und Irakkriegsheimkehreren, als Wiederkehr des Verdränkten, fleischgewordener Blowback des eigenen Volkes?

Zumindest wäre es eine markante Idee gewesen, auch die bisweilen obsessive Agentin Carrie in HOMELAND nicht als Opfer der eigenen Biochemie auszugestalten, sondern als direkt psychisch geschädigte qua Profession, was der Serie enorme Sinn- und Bedeutungspotenziale beigegeben hätte ...

Die Reportage HOMELAND: ENDSTATION HEIMAT finden Sie HIER auf der Spiegel-TV-Website.

zyw

 




08.10.2013

MOOC „T u. CT: Comparing Theory and Practice“ (III)

Probleme

Eine Woche später und vom MOOC des Prof. Bakker wie überhaupt von diesem E-Learning-Prinzip  bin ich positiv gestimmt, sehe aber einige, wahrscheinlich typische Probleme.

Zwischen der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) in Lüneburg von Donnerstag bis Samstag letzter Woche und der - interssant besuchten und besetzte - Arbeitstagung plus dem Workshop des Netzwerk Terrorismusforschung e.V. in Berlin finde ich weder rechte Zeit noch Muße, mich dem Online-Kurs zu widmen (klar, während der GfM-Zusammenkunft auch nicht).

Überdies zeigt sich, dass das Programm, das Prof. Bakker und sein ICCT fahren, recht anspruchsvoll ist - zumindest, wenn man ihn richtig und mit gutem Gewissen "nutzen" will. Die Texte auch in bzw. für die zweite Woche werde ich in Gänze nicht schaffen, zumindest nicht die für den Advanced Track (dessen Quellen man sie ohnehin selbst besorgen muss), und das erste Wochen-Quiz verschiebe ich lieber (wie das morgen anstehende, zweite) lieber nach hinten.

Das geht, die Deadline für alle ist erst im November. Aber spätestens hier wird klar, dass Arbeitsaufkommen hin oder her, so ein MOOC zur Prokrastination verführt. Ein klassisches Problem des Fernstudiums, wie mir jemand versicherte, der an der Fernuni Hagen studierte: der Mangel an äußerem Druck, dranzubleiben.

Sicher, die Zeit kann sich jeder selbst einteilen, ein klarer Vorteil. Dadurch aber sammeln sich schnell der Stoff der Videos und die zu lesenden Texte an, was wiederum negativ auf die Motivation wirkt. Ausserdem verpasst man "sozial" den Anschluss. Wer während seines Studiums mal außerhalb gewohnt hat und nicht an der "Lehr-Community" der Kommiliton_Innen partizipierte, wird ahnen, was ich meinen, obwohl sich hier der Aspekt Räumlichkeit eben eher auf den der Zeitlichkeit verlagert.

Hinzu kommt der Anspruch. In der ersten Woche hatte ich mich eher noch geirrt: Prof. Bakker verlangt so einiges. Wenigstens ist der MOOC nichts, was sich so nebenbei unverbindlich erledigen ließe (vielleicht bin ich aber auch nur zu skrupulös). Jedenfalls aber macht das Assignment für den Advanced Track deutlich: hoppla, hier meint es jemand ernst. Als Fortgeschrittener gibt es eine Hausaufgabe. Diese wird bewertet von anderen Kursteilnehmern, wobei man - ebenfalls Teil der Aufgabe - selbst vier andere Texte "benoten" muss.

Aufgabenstellung:

"The European Union maintains a list of persons, groups and entities subject to specific measures to combat terrorism. In this assignment, you will have to explain why you think a certain group that is currently not on this list, in your eyes should be on the list.

In a second text box (maximum 400 words) you have to add a list of sources, as if it were your footnotes. In the first answerbox indicate footnotes like this (1) and in the second box describe your source per number. Use at least two sources.

Before proceeding to the exact question you have to answer, please read the course syllabus where you can find more information about the use of sources. Keep in mind that the quality of the used sources will be a very important aspect of your grade.

Deadline ist der 14. Oktober, also gerade mal noch eine Woche, die Evaluationen der anderen Texte (sowie des eigenen -- hä?!) soll bis zum 21. Okt. erfolgen.

Schaffe ich leider nicht. Schade. Mal davon abgesehen, dass es eine relativ anspruchsvolle Aufgabe ist. Eine noch nicht erfasste Terrororganisation. Begründen. Belegen. Hallo, seit wann mach ich mal so nebenbei die Arbeit der EU? Aber Bakker und sein Team haben es mit der EU-Terrorliste; in einem der aktuellen Videos lässt der Leiter des ICCT durchklingen, dass sie an einem Forschungsprojekt dahingehend sitzen.

Was einmal mehr zeigt: MOOC sind auch gut dazu, willige und interessierte Probanten zu aquirieren. Zu beiderlei Gewinn, wohlgemerkt! Beide Seiten können profitieren. Und keiner bekommt etwas dabei auf dem Präsentierteller. Ähnlich dürfte es sich auch mit dem Forum verhalten. Dort sind innerhalb kurzer Zeit Unmengen an Kommentaren zu den diversen Themen aufgelaufen, haben sich - wie berichtet - Gruppen gefunden und gegründet, Diskussionen zur "Fünften Welle" oder dem Begriff bzw. Konzept Terrorismus stattgefunden.

Bakker lobt das Engagement in einem seiner neuen Videos für die Woche #2 - ein positives Gefühl: per Video nicht nur fertige Lehrkonserven zu liefern, sondern auch direkt auf die Entwicklung des Kurses zu reagieren.

Auch die Hinweise auf weitere Filmgruppen stellt er heraus, bedankt sich für den Hinweis auf den indischen Film BLACK FRIDAY (ätsch, kannte ich schon! :-)). Der Nachteil des Forums ist aber, dass es schnell zu viel und zu unübersichtlich wird. Während ich in Lüneburg war, wurde mein Mailfach von täglich 20 bis 70 Hinweisen zugemüllt. Jemand habe meinen Beitrag kommentiert. Vermutlich haben die meisten aber, die generell zum Thema "Fünfte Welle des Terrorismus" etwas posten wollten, sich vertan und statt allgemein etwas einzustellen, klemmten sie sich einfach sich an meinen Threat dran.

Weiß ich nicht, die Fülle der Beiträge habe ich nicht durchsehen können ...

Damit sind wir schon beim zweiten großen Magengrimmen, weleches so ein MOOC bereiten kann: das der Technik im weiteren Sinne.

Da ist die schiere Fülle von Wortmeldungen, die sich zu unterschiedlichen Themen ansammeln, aufhäufen, und Bakker selbst freut sich zwar über die Ressonanz (von mittlerweile rund 25.000 Teilnehmern), aber die herausfordernde Aufgabe der Auswertung, die Bakker anspricht (wieder so ein Hinweis daraus, dass wir User an einem Forschungsprojekt partizipieren), sie wird seinen Mitarbeitern noch ordentlich Mühe machen.

Ein generelles Phänomen der Netzöffentlichkeit lässt sich hier exemplarisch finden, eines, das auch die Skandale um digitale Überwachung zumindest etwas relativiert (selbst beim Verweis auf "Data Mining"): Wenn sich zu viele äußern (oder eben: Äußerungen erfasst werden), bleibt (fast) jeder - im Effekt - irgendwie stumm (oder: unhörbar), einfach weil das (unterscheidende) Zuhören nur mehr sporadisch erfolgen kann (meist beschränkt auf die ersten Posts zu einem Threat). Dies zeigen allein die vielen Wiederholungen von Fragen, Ideen, Thesen, die sich auf der Rezeptionsseite widerspiegeln. Was freilich für eine qualitative (inhaltsanalytische) Auswertung schon wieder gewinnbringend ist bzw. sein kann. Wenig aber für einen Habermas'schen Diskurs, der bei solchen Open-Learning-Projekten zumindest ideel allzu leicht in Anschlag gebracht wird. Hier jedenfalls besteht noch Innovationsbedarf.

Problem Technik meint jedoch in diesem Zusammenhang auch ganz profan: Soft- und Hardware daheim beim Nutzer.

Zwischen Lüneburg und Berlin ist mein geliebtes Notebook, das ich mir zum Verfassen der Dissertation angeschafft hatte (und das ja tatsächlich mich zu deren Ende - na ja fast, nicht zur Druckfassung - trug), verlassen. R.I.P. Der bereits vorher bestellte Ersatz (nein, ich sah das Ende nicht kommen!), war zwar bestellt udn da, eigentlich aber dann doch nicht (eine andere Geschichte), so dass ich mich meinen Alt-Desktop-PC reaktivieren musste. Eine Reise in der Vergangenheit, Windows XP, und die gespeichertes Short-Cuts-Bilder im Browser Opera von längst (so) verblichenen populären Sites - sie konnten einem Tränen in die Augen treiben.

Freilich - und um zum Thema zurück zu kommen: Trotz Update der Browser, von Flash, Java, der Video-Codecs etc. und bei allem zu geringen Arbeitsspeicher, veralteter Grafikarte etc. gibt es technische Hindernisse:

Die aktuellen Video-Lectures von Prof. Bakker ruckeln (HTML 5 oder Flash, egal), Ton und Bild sind teilweise assynchron ... Wäre nicht so schlimm, schließlich sind die meisten Rechner, die zum Einsatz kommen, egal wie tragbar sie sein mögen, sicher "more up to date" als meiner. Und ob Herr Bakker nun flüssig über dem Bildschirm gestikuliert oder nicht, kann egal sein. Problematisch wird es aber, wenn die eingebetten (oder aufgesetzten) Fragebögen - zumindest im meinem speziellen Fall - nicht angezeigt werden.

Einmal mehr also wird klar, dass zwar so ein MOOC mehr ist als nur Videos und PDF-Texte (oder Links), dass aber - auch eigentlich ein triviales Phänomen - neue E-Learning-Tools bei allem Appeal für die Allgemeinheit (insbesondere auch eine ältere) tendenziell zu sehr auf die aller aktuellsten Machbarkeiten fixiert sind. Ohne zu bedenken, ob der "Endnutzer" womöglich hinreichend ausgestattet, versiert oder schlicht willens ist, sich auf diesen Stand (und Standard) einzulassen bzw. aufzuschließen. Ein nicht mal mehr untypisches Beispiel für die neue(re) Form der "digitialen Kluft" (neudeutsch: Digital Divide): eine, die unsichtbarer ist, als sie weniger Computer zählt oder Internetanschlüsse als auf der Ebene der Praxis und Disposition ansetzt.

Übrigens: zur von mir angeregten "Study Group" (der ersten und bislang einzigen deutschen!), bei der ich zum Treffen auf dem NTF-Workshop in Berlin anregte, gab es bislang nur zwei Feedbacks. Andere Länder sind wohl terrorismusinteressierter ;-)

Ansonsten hat Prof. Bekker Alex P. Schmid in sein Bücherwand-Büro geladen und bewirbt dessen Buch, befasst sich in erneut 5 Videos diesmal konkret mit dem Feld "Terrorism Studies" (die ich leider ja noch nicht gesehen habe ...) und hat als "Extra Video" der zweiten Woche ein Interview mit Akinola Olojo (Visiting Research Fellow des ICCT) eingestellt, zum Thema "the lack of non-Western researchers in Terrorism Studies" - wobei man sich ergänzend ein Gespräch zum Thema "lack of interst" des Westens bezüglich der Afrika, Lateinamerika und Fernost wünscht ... 


zyw