01.10.2013

MOOC „T u. CT: Comparing Theory and Practice“ (II)

Erfahrungsbericht

In der ersten Woche des MOOC "Terrorism and Counterterrorism: Comparing Theory and Practice" von Prof. Dr. Edwin Bakker geht es um "Definition und essence of terrorism".  Drei Texte "Required Readings" stehen bereit, neun weitere als extra Lesefutter. Neu am 1. Oktober hinzugekommen sind drei Textverweise, wie sie auch in den Videos angesprochen werden: die EU- sowie die USA-Terroristenliste, außerdem die UN Al-Qaida Saction List vom 20. Sept. diesen Jahres.

Viel davon mir zu Gemüte führen konnte ich aus Zeitgründen nicht, der zentrale aber ist ohnehin Rapoports "Vier-Wellen-Theorie". Sechs Video sind anzuschauen, jedes zwischen fünf und zwölf Minuten lang. Zu sehen ist Prof. Dr. Bakker vor der Bücherwand seines Büros, wobei Kernthesen und Begriff eingeblendet werden. Immer mal wieder wird das Video (beim ersten Durchgang) unterbrochen, damit man als ZuschauerIn bzw. KursteilnehmerIn kleinere Multiple-Choice-Tests absolvieren kann. Gefragt wird aber auch (anonym) u.a. nach den Wörtern für Terrorismus im eigenen Land, sogar, wie wir wohl meinen, dass die nächste, kommende, die fünfte "Welle" aussehen mag (lt. Jeffrey Kaplan ist sie schon da).

Generell sind die Lektionen eher allgemein und nicht sonderlich tiefgründig gehalten. Was genau man unter Terrorismus letztlich zu verstehen hat (auch als Arbeitsdefinition) bleibt ein bisschen diffus. Das liegt sicherlich zum einen an dem schwierigen Thema, der Definition bzw. Wesensbestimmung von Terrorismus (immerhin verweist Bakker zuletzt auf Alex P. Schmid, der sich im letzten Video auch kurz zu Wort meldet). Zum anderen ist es wohl ein Problem des Konzepts "MOOC" selbst. Bei über 20.000 Teilnehmern, auf welcher Art Zielstudenten soll man sich ausrichten, welche Vorwissen veranschlagen, welche Aufnahmefähigkeit (u. welche Engagementbereitschaft).

Klar jedenfalls, dass ein solcher Kurs keinen Ersatz für einen echten Kurs darstellt, schon gar nicht für ein Uni-Seminar. Gleichwohl unterhaltsam und lehrreich ist die MOOC allemal; eine Art "Studium generale"-Erweiterung, für eine sehr breite interessierte Öffentlichkeit. Was er zudem kann, als ein kleines Event: die Möglichkeit zum Austausch zu bieten. Über die "fünfte Welle" wird, einen Tag nachdem die Lectures online sind, schon kräftig im Forum spekuliert und diskutiert. Cyberterrorismus wird angedacht, Findige werfen auch Kaplan in den Ring. Ich selbst überlege mir etwas in Sachen Antiglobalisierungs- und -kapitalismusgewalt zusammen, in Europa, aber auch in diversen BRIC-Nationen, wo vielleicht mal neue urbane Sozialrevolutionäre gewaltsam gegen die Besitzverhältnisse, wenn nicht gar gegen das System, vorgehen. Haha: Linksterroristen in der VR China? Na ja, vielleicht aber Neo-Naxaliten in Mumbai und Delhi, Nachfolger oder Genossen der alten Maoisten-Guerilla-Garde  ... Was weiß ich, womöglich sind die Zeiten von großen, internationalen Terrorismus"wellen" vorbei, weil die neu passende, potente und fundamentale "Große Erzählung" dafür fehlt, eine Idee wie die "Nation" oder der "Kommunismus" ... Na, mal sehen, was ich (darauf) noch zu hören bekomme.

Als Beispiel für eine Video-Lecture hier übrigens der rund 16-minütige Film zur "History of terrorism" (Nr. 2 der Wochen-Session). Da es sich um die reine Videodatei handelt, sind die von eingebundenen bzw. von der E-Learning-Plattform darübergelegten Zwischenabfragen selbst nicht enthalten. Der Film selbst wie die übrigen sind übrigens unter Creative Commons Lizenz (und zwar folgender: CC BY-NC 3.0 NL) im Kursbereich downloadbar (Copyright Universität Leiden bzw. Prof. Bakker). Deshalb erlaube ich mir einfach, sie - gem. der Forderung - ebenfalls unter diesen Bedingungen, also unentgeltlich und unter Namensnennung des Urhebers hier über Vimeo einzubinden. 




So aktuell man bei einem solchen MOOC auch sein kann, gerade die Videos erweisen sich als schnell veraltet: In Video "1.4 Why no generally accepted definition?" nimmt Bakker die Hisbollah als Beispiel für Problematik der konsensuellen Einstufung von Gruppen und Organisationen als offiziell "terroristisch" - ehe dann die In-Video-Quiz-Einblendung darüber informiert, das kurz nach Fertigstellung der Aufnahmen am 22. Juli besagte "Partei Gottes" doch auf der EU-Terroristenliste gelandet sei (woraufhin man gefragt wird, ob man das gut finde oder nicht).


zyw

30.09.2013

IN THE DARKROOM: Dokumentarfilm über "Carlos" und "seine" Frauen



Sich der Lebensgeschichte des berühmt-berüchtigten Top- und Mietterroristen "Carlos", dem "Schakal" alias Ilich Ramírez Sánchez hat sich 2010 Olivier Assayas in einem Spielfilm bzw. TV-Mehrteiler angenommen. Der israelische Regisseur Nadav Schivman widmet sich der so schillernden wie mörderischen Figur nun in dem Dokumentarfilm IN THE DARKROOM indirekt, insofern zwei Frauen im Zentrum stehen: die deutsche Magdalena Kopp, langjährige Lebensgefährtin und Komplizin des gebürtigen Venezolaners, sowie Rosa Kopp, die 1986 geborene Tochter der beiden. Unterschiedliche Fragen geht der Film dabei nach: Wie hat es dazu kommen können, zu dem Abhängigkeitsverhältnis der linken jungen Frau, Magdalena, die in den 1970ern im Umfeld der Revolutionären Zellen (RZ) unterwegs war, dem eitlen Egomanen Carlos verfiel und für ihn nicht nur ihr erstes Kind zurückließ, sondern auch ein Großteil der erkämpften Selbstbestimmung? Und was bedeutet es für eine junge Frau heute, für Rosa Kopp, Tochters eines solchen schimärenhaften Mannes zu sein, der aus der französischen Haft (seit 1994) heraus Größenwahn pflegt und fast tragischen Realitätsverlust demonstriert - der kurzum selbst seinem eigenen historischen Imago verfallen ist?

IN THE DARKROOM - der Titel verweist auf die erste Begegnung der Fotografin Kopp mit Carlos - läuft seit dem 26.9. im Kino. Besprechungen finden Sie HIER auf taz.de und HIER auf Süddeutsche.de.

Sehenswert ist ein in der Mediathek des Ersten zu findender Beitrag aus der ARD-Sendung "ttt - titel thesen temperamente" der mit einer bemerkenswert pointierten, im Film nicht enthaltenen Beschreibung des Verhältnis-Charakters der beiden Frauen und des Playboy-Killers im "höheren" Auftrag schließt.

Magdalena Kopps Sicht auf ihr Leben mit dem "Schakal" ist darüber hinaus nachzulesen in ihrer zusammen mit Hanne Reinhardt verfassten, allerdings etwas zwiespältig zu lesenden Biografie Die Terrorjahre - Mein Leben an der Seite von Carlos (2007, dva).

Mehr zum Thema "Carlos" unter Film-Gesichtspunkten finden Sie bei uns auf Terrorismus & Film HIER.