20.07.2011

Naxalismus im Film (2): HAZAAR CHAURASI KI MAA


I.
Als Drama ist der Hindi-Film HAZAAR CHAURASI KI MAA – übersetzt: „Die Mutter von 1084“ – eine Erzählung über emotionale und familiäre direkte und tragische Betroffenheit, die besonders schrecklich ist und schwer wiegt, weil sie mit Unverständnis für jene idealistischen Zielen, um die es geht, einhergeht - jenen ideologischen Wertabschätzungen sowie politischen und sozialen Spannungen und Auseinandersetzungen.

HAZAAR CHAURASI KI MAA ist die Adaption des gleichnamigen, freilich bengalischen Romans Hajar Churashir Ma der politisch und sozial engagierten Schriftstellerin und Journalistin Mashasweta Devi (das Buch erschien 2003 auch auf Deutsch). Da Devi lediglich in bengalischer Sprache schreibt, ist sie erst spät außerhalb Indiens bekannt geworden; in Deutschland wurde man vor allem anlässlich ihrer Eröffnungsrede auf der Frankfurter Buchmesse 2006 – Indien war Gastland – auf sie aufmerksam.

Die ruhige Filmadaption jenseits aller Song-and-Dance-Szenen (aber doch inszeniert mit einer im populären Hindi-Kino nicht unbekannten, aber schlecht zu beschreibenden, schlichten, aber nicht plumpen „Direktheit“, einer kunstlosen, gleichsam satten Unmittelbarkeit), diese Verfilmung drehte Govind Nihalani. Jahrgang 1940, inszeniert er seit den frühen 1970ern für das Kino und das Fernsehen. Er lieferte mit ARDH SATYA (1983) mit Om Puri als Hauptdarsteller einen wegweisenden Film in puncto Darstellung von (gebrochenen, korrupten, in Gewissensnöten steckenden und zur Brutalität neigenden) Polizeibeamten ab. Ebenfalls von ihm und auch mit OM Puri: DROH KAAL / DROHKAAL (1994), ein Film über gefährdete Undercover-Polizisten innerhalb einer Terroristengruppierung, die wiederum gute Beziehungen zu Politikern und Sicherheitskräften pflegt. In diesen Filmen wie in HAZAAR CHAURASI KI MAA führte Nihalani auch die Kamera selbst.

HAZAAR CHAURASI KI MAA setzt ein in der politisch gespannten Lage in Westbengalen Anfang der 1970er Jahre, selbst wenn davon im Film wenig zu sehen ist. Die „Befreiungskämpfe“ finden woanders statt, in einem für die Schicht, die der Film präsentiert, furchtbar weit entfernten, gesellschaftlich und gar psychologisch fremden Raum. Im Mittelpunkt des Films steht ein apolitisches Individuum, das sich mit der bislang auf Distanz gehaltenen Realität auseinandersetzen muss, wozu es auch die in Indien kulturell und sozial so eminente symbolische, fast mythische Rolle zwingt, die es innehat: die der Mutter.




II.
In den frühen Morgenstunden in Kalkutta klingelt das Telefon im nicht unbedingt reichen, aber doch gutbürgerlichen Haus der Familie Chatterji. Mutter Sujata (Jaya Bhanduri) nimmt den Anruf entgegen. Wie sie mit Brati Chatterji verwandt sei?, wird sie bürokratisch-barsch gefragt. Brati (gespielt von Joy Sengupta), das ist ihr (erwachsener) Sohn - so erklärt sie, woraufhin ihr nur knapp beschieden wird, sie solle nach Kantapukur kommen, um ihn zu identifizieren. Die Mutter versteht die Welt nicht, der Vater Dibyanath (Anupam Kher), ein Geschäftsmann und primär um den Ruf (und damit Lebensstandard) der Familie besorgt, will den Vorfall möglichst vertuschen, wer weiß, wo der Junge nur wieder hineingeraten ist. Doch es geht nicht bloß um eine Verhaftung; der Hausangestellte klärt sie auf: Kantapukur ist das Leichenschauhaus.






Tatsächlich muss Sujata (ohne ihren Mann) in der kargen Halle mit mehreren Toten, die da auf dem Boden liegen, unter dem weißen Laken die Leiche „1084“ als ihren Sohn erkennen. Und nicht einmal um die letzten Riten kann sie sich, so schockiert wie gefasst, kümmern, kann keine Trauerzeremonie organisieren: Der harte, aber nicht gänzlich unverständige Polizeioffizier Pal (Milind Gunaji) erklärt ihr, man werde sich hier darum kümmern – und zwar sofort. Und so wird der bis dahin im Film immer noch gesichtslose Brati mit den übrigen anonymen Toten verbrannt.

HAZAAR CHAURASI KI MAA folgt nun Sujata, und macht die klassisch passive und trauernde Mutter-Figur zur aktiven Ermittlerin in eigener Sache. Dabei geht es nicht um einen Kriminalfall; Sujata will nur wissen, will verstehen, was geschehen ist, wohl auch, weil sie – nicht zuletzt als Frau - sich stets untergeordnet hat, wie es sich schickt. Sie sucht ihren toten Sohn, den Studenten, in ihrer Erinnerung und rekonstruiert sein Doppelleben als kommunistischer Aktivist. Ganz bei Sujata bleiben wir dabei, wobei der Film zum Mittel der Voice-Over-Gedankenstimme greift. Das wirkt vielleicht steif, ist aber sinnhaft, als dem ruhigen angestammten Auftreten der liebevollen Mutter dadurch konterkarierende stumme, gar verborgene bittere Gedanken hinterlegt werden, die immer mehr an die Oberfläche drängen und die der auch und gerade im Kino so standardisierten „leidenden Mutter“ als Stereotyp, das hier ein Eigenleben bekommt, nicht ohne Weiteres zugesprochen werden könnte.

Der Vater ist froh, dass der Name seines Sohnes und damit der Familie nicht in die Presse geraten ist. Die Polizei kommt ins Haus, durchsucht Bratis Zimmer, verwüstet es, schneidet die Matratze auf. Sie findet selbstgemachtes Propagandamaterial, einschlägige Bücher: Marx, Lenin. Sujata erinnert sich, in Rückblenden, an liebevolle Momente mit ihrem erwachsenen Sohn, wie dieser mit seinem Vater oft aneinander geraten ist. Der Vater ist Realist, ihm gilt, dass man vorankommt, etwas erreicht, dabei die herrschenden Regeln beachtet, klüngelt – jeder ist sich selbst der Nächste. Brati hingegen war Idealist, der die Welt oder zumindest: die gesellschaftlichen Zustände verbessern wollte, den Hunger der Entrechteten stillen. Polizeikugeln, entgegnet der Vater, füllen auch keinen leeren Magen.



Sujata lernt die Mutter eines der anderen Opfer kennen und dabei eine ihr bis dahin fremde Welt: die der Armen. Beider Söhne und ihre Freunde haben sich in der Unterschichtenhütte getroffen, sich solidarisiert Pläne geschmiedet, auch in der fatalen Nacht. Ein Mob war vor dem Haus aufgezogen, dem sich die jungen Männer erst ängstlich, dann mit gereckten Fäusten angstmutig gestellt haben. Und totgeschlagen wurden.





Auch Bratis Freundin Nandani Mitra (Nandita Das) lernt Sujata kennen, von der sie bislang nichts wusste. Auch Nandani ist Aktivistin, und schon zu Beginn des Films werden wir Zeuge, wie sie verhaftet, später brutal vom Beamten Pal verhört und geschlagen wird. Nandani, nun wieder auf freiem Fuß, berichtet (ebenfalls vom Film in Rückblenden dargeboten) von ihren konspirativen Treffen, von den revolutionären Plänen und Diskussionen der kleinen Studentengruppe, welchen Weg sie einschlagen wollen – einen friedlichen, den der Gewalt? Und dass offenbar einer der ihren ein Polizeispitzel und agent provocateur war, den Nandani schon in Verdacht hatte.





III.
Wohl nicht zuletzt dank der Romans weist HAZAAR CHAURASI KI MAA eine sorgfältige Dramaturgie auf. Er zeichnet Schritt für Schritt und entlang von Bratis Weg und dessen Rekonstruktion die innere Emanzipation der bengalischen Mutter nach, die aus der angestammten Rolle der Passiven, Häuslichen und Duldsamen langsam herauswächst: über ihre neue („Schwieger“-)Tochter und den noch in ihren Erinnerungen so präsenten Brati, dessen Worte sie jetzt erst zu verstehen beginnt, verstehen will und muss. Brati, der ihr in seinem ganz sanften revolutionären Furor selbst dereinst sehr liebevoll vorgehalten hat, dass sie als Frau und Mutter ähnlich all der Armen und Ausgebeuteten nur ein verblendetes, unterdrücktes Opfer sei.

So fühlt sich Sujata immer mehr von ihrem Mann entfremdet, spürt ihr wohlbehütetes familiäres und gesellschaftliches falsches Leben wie die Leibschmerzen, die sie schon länger plagen, erfährt die Konventionen und das Oberschichtsgebaren um sie herum als eine (selbst-)verlogene Posse, die ihren ekelhaften Höhepunkt in einem Fest im Hause der Chatterjis findet: Genau ein Jahr nach Bratis Tod (und an seinem Geburtstagsdatum) feiert die Tochter ihre Verlobung. In ihren schönen Kleidern ergehen sich die Gäste, zumeist Geschäftsfreunde, in oberflächlichen, geistlosen Gesprächen – und irgendwann steht sogar der Polizist Pati vor dem Haus, der Brati schnell hat verbrennen lassen, der Nandani malträtiert hat; er will gratulieren; die Tochter lächelt, will ihn gar ins Haus einladen.

Mit und durch Sujatas Augen sehen wir dies alles, distanziert, einsam in dieser Geselligkeit, angewidert, schockiert, wie im Taumel, und tatsächlich ist Sujata fiebrig. Mit einem Schrei bricht sie zusammen: Blinddarmdurchbruch – ein auf der konnotativen Eben der Filmerzählung wie in der Psychologie der Figur symbolischer (Erinnerungs-)Akt, einer der Geburt. Im Krankenhaus liegt Sujata geschwächt im Bett, die Schwester bringt ihr ein – ihr – Neugeborenes. Sujata lächelt, streichelt das Kind, ihren Brati. Herzzerreißend glücklich.



Dieser Rückblende oder -erinnerung, diesem Sinnbild und Fieber(halb)traum folgt ein unauffälliger Zeitsprung. Impressionen von Kalkutta – und erneut läutet das Telefon, nur diesmal ist es moderner und Sujata, mit Brille und ergrautem Haar deutlich älter. Viele Jahre sind vergangen; Nandani ruft an, kommt in die Stadt, möchte die Gelegenheit nutzen, Sujata zu besuchen. Im Haus der Chatterjis hat sich etwas getan. Der Vater ist kränklicher, altersmilder; und nun ist es seine Frau, die den aktiven Part übernommen hat. Sie arbeitet in einem Menschenrechtszentrum, führt dort Bratis Kampf quasi auf kleiner Ebene weiter. Dort trifft sie am Nachmittag die ebenfalls gealterte Nandani. Bratis Vater Dibyanath ist mitgekommen, möchte Nandani kennenlernen – es wird deutlich: Er fühlt, dass er etwas aufzuholen, wieder gutzumachen hat.



Die Zeiten haben sich geändert, nicht viel, aber immerhin: Nandani, nun ebenfalls mit Brille und langsam grau werdend, arbeitet jetzt im Delhi für die Regierung. Nach Kalkutta ist sie wegen eines Rechtsfalls gekommen – den Polizist Pal stellt sie vor Gericht. Dibyanath erkundigt sich, was ihr Mann zu ihrem Engagement sage. Nandani lächelt, ein bisschen traurig: Sie ist nicht verheiratet. Sicher, ihre Mutter hatte tatsächlich dereinst noch eine gute Partie für sie gefunden – Mädchen mit revolutionärem Background waren in Mode. Sie aber hat abgelehnt. Ihr Beruf ist ihr ganzes Leben geworden.

Draußen verabschieden sie sich – Dibyanath und Nandani teilen sich ein Taxi, Sujata winkt ihnen hinterher. Und wird Zeuge, wie zwei Männer den Leiter des Bürgerrechtszentrums, der gerade das Haus verlässt, auf offener Straße mit hassverzerrten Gesichtern niederschießen. Sie laufen zum Fluchtwagen, einer stößt Sujata zur Seite, doch den zweiten versucht sie halten, packt ihn, lässt sich nicht abschüttelnd - weinend, entsetzt, aber mit ganzer Kraft klammert sie sich an ihn, an seine Beine, lässt sich mitschleifen, durch den Staub, lässt ihn nicht weg. Bis endlich auch die Umstehenden ihr zur Hilfe eilen und den Mörder festnehmen.

Nachts schließlich besucht sie ihr toter Sohn. Er steht an ihrem Bett, beide lächeln sich an. Ob es eine Fantasie und Vision ist, ein Wunschtraum, eine Allegorie oder ein Geist, der bereit ist, sie mit sich zu nehmen, das lässt HAZAAR CHAURASI KI MAA auf berührende Weise offen.



IV.
Wenn sich die ältliche, rundliche Frau im Sari in extremer Zeitlupe an die Beine des Mörder klammert, ihn an der Flucht hindert, als ginge es darum, ihren Sohn festzuhalten, dann hat dieses Bild das ikonische Potential und die symbolische wie emotionale Wucht wie jenes der Schauspielerin Nagis in der Rolle der Radha, in Mehboob Khans berühmten epischen und sinnbildlichen Tragödienklassiker MOTHER INDIA (1957), jene Radha, die sich verzweifelt selbst vor den Pflug spannt, um ihren Acker zu pflügen und ihre Kinder zu ernähren. Oftmals ist es in indischen Geschichten die Mutter, die das Leiden verkörpert und die sich aufopfert, gar ums Leben kommt oder sich ob der Gram das Leben nimmt. In HAZAAR CHAURASI KI MAA ist es anders oder genauer: hier wird die Rolle umgestülpt – es ist die Mutter, die nun übrig bleibt, in den Mittelpunkt gerückt wird, und dort sich erst zurechtfinden muss. Soll sie weiter stillhalten und lediglich trauern, wie es ihr die Gesellschaft anträgt?



HAZAAR CHAURASI KI MAA lässt an das Nordirlanddrama SOME MOTHER’S SON (1996) von Terry George denken. Helen Mirren spielt darin Kathleen, deren Sohn Gerard heimlich für die IRA arbeitet, inhaftiert wird und im Gefängnis sich dem republikanischen Hungerstreik anschließt. Auch Kathleen, eine Lehrerin, die wie Sujata unparteiisch, unpolitisch, unentschieden oder „meinungslos“ ist, muss nun Partei ergreifen. Am Ende bricht Kathleen, angesichts der leeren Bedeutungskämpfe der Männer, die ihre politischen Scharmützel auf Kosten anderer führen, für ihren im Koma liegenden Sohn den Streik ab. Mutterliebe und der Wert des Menschenlebens ist einfach höher, sagt dieses etwas wohlfeile, gleichwohl konsequente, weil ganz individuell menschliche Einzelfall-Ende von SOME MOTHER’S SON. Sujata in HAZAAR CHAURASI KI MAA ist diese Möglichkeit der Entscheidung nicht gegeben – und es wäre spannend gewesen, inwiefern in Indien, in einem indischen Film, bei u.a. der gültigen patriarchalischen Dominanz und bei aller Mutterverehrung Sujata eine solche Entscheidungsmacht zugestanden würde. Aber Brati ist bereits tot, und es ist an Surja zu entscheiden, was sie daraus macht, was sie daraus lernen kann, inwieweit sie ihren Sohn folgenlos hat totschlagen und als reine staatsfeindliche Nummer ohne anständige Zeremonie einäschern lassen.

Diese Sujata wird gespielt von Jaya Bhaduri alias Jaya Bachchan, der Gattin von Indiens Megastar schlechthin, Amithab Bachchan, und Mutter eines der berühmtesten aktuellen Bollywood-Darsteller Abhishek Bachchan. Als Kind spielte sie bereits in den 1960ern, u.a. unter der Regie des legendären Neorealismus-Regisseurs Satyajit Ray, gönnte ihrer Karriere jedoch ab Anfang der 1980er für achtzehn Jahre eine Auszeit, um sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Ihre erste Leinwandrolle nach dieser „vorbildlichen“ Elternpause: eben die der Sujata in HAZAAR CHAURASI KI MAA.

V.
Wie steht es aber nun mit dem Naxalismus in HAZAAR CHAURASI KI MAA? Der Film wird nie derart konkret, als dass er eine echte ideologische Politik zu propagieren oder auch nur als solche thematisiert. Der Kampf der jungen Leute bleibt, bei allen einschlägigen Schlagworten, zunächst einer, der rein auf die Verbesserung von Missstände abzielt, die ansonsten als nicht oder aber als natürlich betrachtet werden. HAZAAR CHAURASI KI MAA zeigt dabei die jungen Menschen als Idealisten, die (noch) am Scheideweg stehen – revolutionäre Gewalt ist eine Option, aber nicht die bevorzugte. Selbst verficht der Film die Agenda der kleinen, der mühseligen Schritte.

Nandani wird gespielt von der noch jungen Nandita Das in einer ihrer ersten Rollen (jedoch nicht die erste, trotz des „introducing“ in den Credits); kurz darauf wurde sie, vor allem unter Deepa Metha (EARTH; 1998), berühmt. Sie wie Jaya Bhaduri und einer von Indiens vielseitigsten, meistbeschäftigten und zurecht berühmtesten (Neben-)Darstellern, Anupam Kher, sind am Ende geschlagene, müde, aber nicht hoffnungslose Charaktere. Sie verkörpern den kleinen Wandel, der Besserung verspricht, aber auch einen hohen Preis fordert: die Karriere, das persönliche Glück, das Leben – das eigene, das der Kinder. Es gibt keine Triumphatoren, aber auch keine echten Schurken, nimmt man mal die ungebildeten, irrationalen Mörder und Hetzer aus, die – so oder so – im indischen Kino wie in der Gesellschaft apolitisch und religionsübergreifend ebenso manipulative Masse wie unaufgeklärtes irrationales Schreckgespenst ist. Auch die Polizei geht harsch vor, doch das ist ebenso üblich, vor allem gegen die Feinde des Staates, und im Gegensatz zu anderen Filmen findet sich unter ihnen keine ausgestellten Zyniker, tumben Sadisten oder korrupten Opportunisten. Im Gegenteil, der ernste, gestrenge und – bei aller Unbarmherzigkeit, die er Nandani im Verhör angedeihen lässt – kontrollierte Pal könnte in anderen Szenarien und Filmen als Musterbeispiel eines Beamten und folglich: als Held durchgehen.



In diesem Sinne ist HAZAAR CHAURASI KI MAA ein minderwertiges politisches Drama, insofern es sich nicht um die sozialen und ökonomischen Strukturen kümmert, sie bestenfalls zum Dialoggegenstand macht. Diese „apolitische“ Haltung ist aber legitimiert durch die Perspektive, die der Film wählt und die Art der Figur, die er ins Zentrum stell. Er ist „nur“ ein überaus gelungenes menschliches Drama, das indirekt und über seine Fokussierung doch wieder politisch wird, insofern sich das private und persönliche (Mit-)Leid als Motiv und Motivation, als Erfahrungsfolie und Erlebnishintergrund letztlich gar nicht von idealistischen Auseinandersetzungen separieren lässt. Es sei denn natürlich, man will auf der Vorstellungsebene von reinen Klassenkämpfen und historischen Prozessen bleiben, was aber wiederum eine politische Parteinahme bedeuten und nichts einbringen würde. Gerade das Urteilen ist hier wichtig. HAZAAR CHAURASI KI MAA will etwas anderes, erzählt etwas anderes und ist – in seiner Mittelposition zwischen engagiertem Drama und populärem Melodrama – bemerkenswert.


Devi, Mashasweta (2003): Die Mutter von 1084. Bonn: Bonner Siva Series.

Weitere Kritiken zum Film HAZAAR CHAURASI KI MAA:

http://www.screenindia.com/old/nov28/review3.htm

http://reddiarypk.blogspot.com/2005/10/hazaar-chaurasi-ki-maa.html

Bernd Zywietz